Der Mythos Reeperbahn
Auf der Hamburger Reeperbahn werden seit jeher Tabus gebrochen. Dort sieht man lange Zeit Dinge, die man nirgendwo sonst zu sehen bekommt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kommen die Männer in den Stadtteil St. Pauli, um sich Frauenringkämpfe im Schlamm anzuschauen. Bevor die Frauen damals hier ihre Brüste zeigten, wurden allerdings die Türen geschlossen. In den 60ern geht man dann einen Schritt weiter. Im „Safari“ wird Sex auf der Bühne gezeigt.
Auf der Reeperbahn ist schon damals - wie heute - für jeden etwas dabei. Es gibt sogar einen Transvestiten-Strich. Auch das macht die Faszination Reeperbahn aus. Beinahe jeder Wunsch wird erfüllt. Wenn auch meist nur gegen Geld. Doch es müssen auch immer neue Reize für das Publikum geboten werden. Einige Zuhälter haben sich spezialisiert. Zum Beispiel auf Frauen mit großen Brüsten.
Noch immer verkaufen Frauen hier ihren Körper. Doch es sind nicht nur die Huren, die jedes Jahr 30 Millionen Besucher auf den Kiez ziehen. Denn „Reeperbahn“ steht eben auch für die große Party, den ungezwungen ein Spaß. Dort kann sich jeder einmal gehen lassen. Ohne, dass sich einer daran stört.
Das große Geld
Auf St. Pauli kann man schnell, sehr viel Geld machen. Während die Frauen damals ackern, machen sie die Kohle: Zuhälter. Wie gut die Geschäfte laufen, dass zeigen sie damals gern: Kostbare Ringe, goldene Rolex, Zehntausende Cash in der Tasche und sündhaft teuere Sportwagen. Und die Herren waren gut organisiert, haben sich die Aufgaben wie in einem großen Unternehmen aufgeteilt. Jeder hat das gemacht, was er besonders gut konnte.
Frauen gelten als Ware, sie werden verkauft, manchmal sogar als Spielschulden an einen anderen Luden weitergereicht. Und es gibt auch eine Menge mieser Tricks, mit denen die Frauen damals wie heute ihren Freiern das Geld aus der Tasche ziehen. St. Pauli ohne Tricks, sagt man, das ist wie Zirkus ohne Clowns.
Heute wird das große Geld nicht mehr nur mit Prostitution verdient. Hochmoderne Sexshops und Stripclubs lassen die Kassen klingeln. Aber auch Geschäfte, die nichts mit dem Milieu zu tun haben, machen hier mittlerweile ordentlich Geld. Wie Supermärkte und sogar ein Reisebüro.
Jedes Jahr wird hier das ganz große Geld gemacht. Doch davon bekommen ganz normale Menschen, die hier leben, nur wenig ab. Denn St. Pauli gehört trotz allem zu den ärmsten Stadtteilen Hamburgs.
Die neue Reeperbahn
Die Reeperbahn hat sich verändert. Heute ist sie eine moderne Amüsiermeile, eher Ballermann als Rotlichtviertel. Sogar ein schickes Edelrestaurant gibt es neuerdings. Sexualität findet nicht mehr verschämt hinter vorgehaltener Hand statt. Die sündige Meile hat sich vom Schmuddelimage ein bisschen befreit. Es gibt hellbeleuchtete, gut sortierte Sexshops. Erotikkinos hingegen gibt es kaum noch. Schließlich kann man heute alles im Netz sehen. Und das sogar kostenfrei. Doch auch abseits vom Rotlicht lohnen sich die Geschäfte noch. Auf der Reeperbahn gibt es immer mehr „normale“ Geschäfte.
Ein großes Problem sind die Kioske. 60 gibt es auf 930 Metern. Macht alle 15 Meter einen Kiosk. Hier können die Feiernden schnell und billig auf einen Pegel kommen. Sie feiern dann draußen. Zum Nachteil für die Club- und Barbetreiber. Und überall: Kiez-Touren und Junggesellen-Abschiede. Die Reeperbahn hat ihr Gesicht geändert.